Viktor Ullmann (1898 – 1944)
1898 Geboren am 1. Januar in einer jüdischen Familie in Teschen, der damaligen Garnisonsstadt der k.u.k. Monarchie, im deren heute polnischen Teil, also der Teschener Altstadt. Vater Maximilian ist Berufssoldat (der sich wegen seiner Karriere gemeinsam mit seiner Frau Malwine, geb. Bilitzer, römisch-katholisch taufen lies). Viktor, der gleich nach seiner Geburt ebenfalls römisch-katholisch getauft wurde, besucht die Volksschule in Teschen und absolviert hier auch die 1. Klasse des Gymnasiums.
1909 Nur mit seiner Mutter (der Vater setzt seine Militärkarriere in verschiedenen Landesteilen der Monarchie fort) siedelt Viktor nach Wien um, wo er das Rasumowsky-Gymnasium besucht und immer mehr von dem reichen Wiener Kulturgeschehen angezogen und beeinflusst wird. Er nimmt das erste Musiktheorieunterricht bei Josef Polnauer. Mit 17 Jahren dirigiert er sein erstes Konzert.
1916 – 1918 Im Mai 1916 beendet Ullmann vorzeitig sein Studium mit der sog. Kriegsmatura und auf Anraten seines Vaters meldet er sich an die Front als der sog. Einjährige Freiwillige. Als ein Artilleriebeobachter teilt er – nach der notwendigen Einschulung – 1917 an den schweren Kämpfen im Tal des Flusses Soča (it. Isonzo) im heutigen Slowenien teil. Nach dem Ende der sog. 12. Isonzo-Schlacht wird er an die Adria-Küste, in das Städtchen Barcola bei Triest, verlegt und entwickelt hier bis zum Kriegsende eine reiche musikalische und kompositorische Tätigkeit im Rahmen der Armee. Nach der Demobilisierung kehrt er nach Wien zurück und nach dem Zerfall der Monarchie entscheidet er sich für die österreichische Staatsangehörigkeit.
1918 – 1920 In Wien studiert Viktor Ullmann, dem Wunsch seines Vaters folgend, Jura. Doch gleichzeitig besucht er acht Monate lang das Kompositionsseminar des berühmten Komponisten Arnold Schönberg. Hier lernt er seine erste Frau Martha Koref kennen, eine gebürtige Pragerin. Sie regt 1919 den Umzug beider in die tschechoslowakische Hauptstadt an und Viktor gelingt es – auf Empfehlung Schönbergs – ein Engagement im Neuen deutschen Theater (der heutigen Prager Staatsoper) zu bekommen.
1920 – 1927 Ullmann ist als Korrepetitor, Chordirektor und Dirigent am Neuen Deutschen Theater in Prag tätig, das damals unter der musikalischen Direktion des hervorragenden Dirigenten und Komponisten Alexander von Zemlinsky steht. Er arbeitet auch schon an eigenen Kompositionen, die sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik Erfolge feiern.
1927 – 1928 Nachdem Zemlinsky 1927 nach Berlin berufen wird, verlässt auch Ullmann das Neue deutsche Theater und folgt einem Angebot nach Ústí nad Labem (Aussig) in Nordböhmen, wo er als Musikdirektor und Chefdirigent am hiesigen Opernhaus arbeitet. Da jedoch das Bühnenhaus in finanzielle Schwierigkeiten gerät, verlässt er den Posten bereits nach einem Jahr und kehrt nach Prag zurück.
1929 – 1931 Ullmann wird als Komponist und Kapellmeister an das Schauspielhaus Zürich engagiert. 1931 zerfällt definitiv seine erste Ehe und bald nach der Scheidung heiratet er Anna Winternitz, Tochter eines bedeutenden Prager Arztes, mit der ihn unter anderem das Interesse an der Lehre der Anthroposophie des Schweizer Philosophen Rudolf Steiner verbindet. In der Ehe werden in folgenden Jahren vier Kinder (drei Jungen und ein Mädchen) geboren.
1931 – 1933 Ullmann wird 1931 Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Er unterbricht seine musikalische Tätigkeit und betreibt mit seiner Frau in Stuttgart eine anthroposophische Buchhandlung. Da die Ullmanns jedoch gleich am Anfang dieses Unternehmens Opfer eines Wirtschaftsbetrugs geworden sind, stehen sie nach zwei Jahren vor einer Pleite.
1934 – 1938 Unter dem Druck der Schulden und Gläubiger kehrt die Familie im Sommer 1933 nach Prag zurück und Ullmann sucht nach einer neuen Existenzbasis, was ihm jedoch nur als einem Freischaffenden gelingt. Neben Vorträgen, Musikrezensionen und weiterer Aktivitäten widmet er sich intensiv auch dem Komponieren und zählt nun zu den geschätzten Komponisten der Tschechoslowakei der Zwischenkriegsjahre. In den dreißiger Jahren wird ihm zweimal der prestigeträchtige Emil-Hertzka-Preis zuteil, seine Werke werden bei Festivals zeitgenössischer Musik häufig aufgeführt. Ullmanns Vater Maximilian stirbt am 20.März 1938, nur eine Woche nach den „Anschluss“ Österreichs, in Wien, Viktor ist Alleinerbe. Dank eines couragiertes Freundes seines Vaters und eines Gerichtes in der Wiener Josefstadt kann er das Erbe auch unter diesen Umständen antreten. Durch dieses Vermögen ist er bis zur Deportation nach Theresienstadt finanziell abgesichert und kann in Prag als freiberuflicher Komponist leben und auch seine Werke im Selbstverlag veröffentlichen.
1939 – 1941 Nach der Zerschlagung der ČSR durch das Nazi-Regime (15. März 1939) komponiert Viktor Ullmann weiter, u, a. die Oper „Der zerbrochene Krug“ (nach einem Drama von Heinrich Kleist). Seine Auswanderungsversuche scheitern, jedoch zwei seiner Kinder (Sohn Johannes und Tochter Felicia) können mit einem der Nicholas-Winton-Kindertransporte nach Großbritannien gerettet werden.
1942 – 1944 Ullmann wird am 8. September 1942 zusammen mit seiner dritten Frau Elisabeth, geb. Frank-Meissl, nach Theresienstadt deportiert. Unter extremen Bedingungen setzt er hier, ebenso wie viele seiner Künstler-Kollegen, seine intensive Kompositions-, Konzert-, Lehr- und Kritikertätigkeit. Er gründet und leitet das „Studio für Neue Musik“. In 24 Monaten des Aufenthalts im Theresienstadt komponiert er 22 Werke, darunter auch sein wohl bekanntes Ouevre, die Oper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Todverweigerung“. Am 16. Oktober 1944 wird er in dem sog. „Künstler-Transport“ nach Ausschwitz deportiert und gleich nach der Ankunft, wahrscheinlich am 18. Oktober, in der Gaskammer ermordet.
1945 – 1975 Ullmans Werke aus Theresienstadt, die er vor dem Transport nach Ausschwitz seinem Freund Emil Utitz übergab, können dank ihm und einem weiteren bedeutenden jüdischen Intellektuellen H.G.Adler, der gleich wie Utitz den Holocaust überlebte (und Verfasser des ersten Buches über das Leben im Ghetto Theresienstadt wurde), gerettet werden. Eine lange Zeit besteht jedoch kein Interesse an diesem Musiknachlass. Erst 1975 führt der britische Dirigent Kerry Woodward in Amsterdam seine eigene Bearbeitung der Oper „Kaiser von Atlantis“ auf. Und obwohl diese Fassung dem Original weit entfernt ist, begegnet diese Aufführung doch einem großen Echo und das Werk Viktor Ullmanns wird endlich von der Musikwelt wahrgenommen. Sein Musiknachlass wird nun von der namhaften Paul-Sacher-Stiftung in Basel verwaltet und die Werke von dem Schott-Verlag in Mainz veröffentlicht.
Zu Leben und Werk von Viktor Ullmann gibt es inzwischen zahlreiche Fachliteratur. Besonders zu empfehlen (in deutsch) sind:
Ingo Schultz: Viktor Ullmann. Leben und Werk. Bärenreiter-Verlag und Metzler Verlag, Kassel 2008
Veröffentlichungen des Berliner Vereins musica reanimata (siehe ww.musica-reanimata.de)
Ullmann-Projekt des österreichischen Theaterensembles ARBOS – siehe http://www.arbos.at/ullmann/index.html